Revos Umbaukit E-bike/Pedelec: Teil 1 – Montage und erster Eindruck

Normalerweise mache ich keine Produktbesprechungen, heute ist es anders. Warum? Es hätte mich gefreut, wenn ich über das Revos-Ebike-Umbaukit mehr gefunden hätte, als die knackige Aussage „hills are history“ und die mehr oder weniger gleichen Texte auf englischen Websites (einer war auf deutsch, aber der erschien vor der Serienproduktion). Es war also ein Kauf nach Treu und Glauben in den Pragmatismus britischer Entwickler und die Zuverlässigkeit der Kaufleute, unabhängig davon wer gerade welches Theater auf der Insel veranstaltet ( cheers!). Deshalb dieser Text für Menschen, die ebenfalls nach Informationen für eine Ebike-Aufrüstung suchen…  – aus eigenem Antrieb und ohne Gegenleistung…

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Meine kleine Mobilitätswende: mach aus Deinem Rad ein E-Bike – richtiger ein Pedelec mit max. 25 km/h und 250 Watt. Revolutionworks heißt der Anbieter des Umrüstsatzes Revos, kommt aus Bristol/England und ging aus einem Kickstarter-Projekt hervor.

Es ist das günstigste Komplett-Angebot auf dem Markt (mit 100W-Akku ca. 485 €, mit 200W-Akku ca. 552 €; Originalpreis in Pfund, Abrechnung also zum jeweils gültigen Wechselkurs … ), das ich gefunden habe, und entspricht nach der Papierform genau meinen Vorstellungen: geeignet für einen Alltagsradler, der auf seinen Wegen etwas Unterstützung bei den Strecken am Berg braucht und ein wenig Motivation, um das Auto immer öfter stehen stehen zu lassen. 40-50 Kilometer Reichweite (laut Hersteller mit dem 200 W Akku) reichen, außerdem will ich (das sage ich jetzt mal so) nur am Berg mit Unterstützung fahren…

Auch unter dem Nachhaltigkeitsaspekt wollte ich mein noch gutes Rad nicht gegen ein neues Pedelec eintauschen, um dann erstmal wieder einem Produktions-CO2-Defizit hinterherzufahren (dank Fridays for Future macht man sich eben solche Gedanken); außerdem finde ich sie für meine Nutzung zu teuer.

Eine Reibrollen-Lösung hatte mir vor Monaten schon ein Freund gezeigt, der sich beim GOe-Crowdfunding beteiligt hatte. Da ich außerdem im vergangenen Jahrhundert eine Velosolex fuhr, schockiert mich das Konzept Walze-auf-dem-Reifen-treibt-Rad-an nicht.

Eigenschaft aller Kits: Anbau ohne Umbau, niedriges Gewicht.  Revos paßte mit der Position des Motors am Sattelrohr zu meinem Rad und schien mir insgesamt am übersichtlichsten. Nach der Bestellung der 200W-Version vergingen wie versprochen keine zwei Werktage bis zum Versand; das Paket brauchte dann wegen eines Routingfehlers beim Paketdienst inklusive Wochenende sieben Tage…

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Alle Teile dazu Schnellanleitung und die englische Montageanleitung mit weiteren Hinweisen bei Problemen

Unboxing habe ich nicht dokumentiert, aber die Verpackung war sehr gut;  alle Leerräume im inneren Karton mit Formteilen ausgepolstert, die einzelnen Elemente jeweils verpackt, nichts konnte sich bewegen. Die Produktverpackung war zusätzlich in einen sehr festen, ebenfalls auch genau angepassten Karton gesteckt. Prima. Dazu gab es ein paar Aufkleber und Reflektorreifen für die Hosenbeine der Städter… Schön mitgedacht für jene, die in Alltagskleidung mit Revos zur Arbeit fahren, weil sie sich nicht umziehen wollen.

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Die Verpackung – alles sehr sicher und passgenau

Das besondere Versprechen: die Montage sei einfach erledigt und dauere etwa zehn Minuten. Schraubereien sind mir vertraut – also los.

In dem Paket ist alles was man braucht: Ladegerät (vor dem Start des Umbaus Akku an die Dose), Motor mit Halterung, Akku mit abschließbarer Aufnahme für die Flaschenhalterung inklusive Imbusschlüssel und zwei längeren M5-Schrauben, eine Madenschraube als Ersatz für jene an der Motorhalterung, Ein- und Mehrweg-Kabelbinder. Die Montagebeschreibung ist auf Englisch aber es gibt auch eine Kurzversion mit Zeichnungen.

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Der Motor wird mit zwei Schrauben am Sattelrohr befestigt. Dass die Schrauben eine Torx-Aufnahme haben (auch dieser Schlüssel ist dabei) ist zwar kein echter Diebstahlschutz aber eine kleine Hürde für Langfinger und ein schönes Detail. Keine Probleme mit dem Anbringen, auch die Akku-Halterung ist einfach zu montieren.

Das Verlegen des Sensors zur Schaltkassette am Hinterrad dauert am längsten – schließlich entschließe ich mich, nicht zu wickeln sondern das Kabel mit einer Schlaufe am Unterzug und dann grade an der Schwinge entlang zu verlegen. Das geht dann wirklich schnell und erlaubt vor dem Festziehen der Einweg-Kabelbinder noch leichte Korrekturen.

Ein Stecker wird – narrensicher mit zwei Pfeilen markiert und einem Führungs-Grat innen gegen Verpolung gesichert – zusammengeschoben, das Kabel ebenfalls mit Schlaufe verlegt. Ein paar mehr und längere Kabelbinder wären besser, ich hatte sie in der Garage, andere müssen erstmal einkaufen.

In rund zwanzig Minuten war das Rad fahrbereit.  Etwas filigran ist die Einstellung des Sensors und er mußte sehr präzise mittig über dem entsprechenden Zahn des größten Ritzels stehen, dann aber funktionierten An- und Ausschalten mit Drehung der Pedale rückwärts zuverlässig. Eine halbe Drehung nach hinten ist vielleicht etwas knapp, 3/4 oder 1/1 schaden zumindest nicht (zu der Frage ob das auch bei einem Rad mit Rücktrittbremse funktioniert habe ich keine Auskunft gefunden; Produktfragen hat Revos aber recht rasch beantwortet; Nabenschaltungen mit Freilauf aber sollen laut Revos in Ordnung sein).

Mit anderen Worten: Versprechen schnelle Umrüstung gehalten (zehn Minuten, wie vom Hersteller in Aussicht gestellt,  sind sportlich aber beim 3. Umbau sicher nicht unmöglich, wenn man denn möchte…), es gab keine unlösbaren Aufgaben, Nacharbeiten wie Entgraten oder Ähnliches fielen nicht an, saubere Verarbeitung, alles passte.

Und die erste Fahrt? Nachdem der Sensor richtig stand funktionierte alles gut. Was mich überraschte: der Motor ist wirklich nicht laut, sondern meldet sich nach dem Einschalten mit einem Klacken, das Sirren mischt sich unaufdringlich in das Rauschen des Fahrtwinds. Bei Freilauf habe ich nichts gehört – die Walze bleibt auf dem Reifen, der Widerstand – so der erste Eindruck – ist tatsächlich nicht sehr groß (wegen Geräusch und Reibungswiderstand hatte ich beim Hersteller nachgefragt). Sobald ich aufhörte, in die Pedale zu treten, hörte auch der Motor brav und zuverlässig auf. Eine gelungene Idee statt der Sensoren an den Pedalen. Die Unterstützung ist spürbar und kommt gutmütig daher.

Bin gespannt auf die ersten längeren Fahrten: wie groß ist die Reichweite, rutscht die Walze bei nasser Straße durch, wie macht sich der Widerstand des ausgeschalteten Motors bei längerer Fahrt bemerkbar? Teil II folgt…

 

1. Anmerkung nach der Einkaufstour mit Steigungen: ausgeschalteter Motor klingt etwa so laut wie ein Dynamo. Eingeschaltet am Hügel eine schöne Unterstützung. Summe Strecke ca. 10km. Eine zufriedene andere Probefahrerin…

 

2. Anmerkung nach Alltagsstrecke: auf rund 26km mit Revos rund 20 Minuten gespart… (1:09h statt rd. 1:30h; die Strecke hat  ein hügeliges Profil). Danach war der 200W-Akku aber auch so leer, dass er nicht mal mehr das anzeigen wollte. Mit der ersten Ladung hat er insgesamt rund 35 Kilometer geschafft. Da die volle Kapazität erst nach mehreren Ladezyklen erreicht sein soll, liegt das also im Limit; der Motor lief so gut wie die ganze Strecke (soviel zum Thema gute Vorsätze…).

 

3. Anmerkung zum Thema Verschleiß der Mäntel: Vielleicht ist das ja noch von Interesse… Die Mäntel (Schwalbe Marathon Plus) sind drei Wochen alt, der am Hinterrad hat 1,9 mm Profil. In den nächsten Wochen werde ich immer mal wieder messen.

 

4. Anmerkung zum Thema Nix zum Einstellen: Dem Konzept eines displayfreien Motors kann ich für meine Bedürfnisse immer mehr abgewinnen. Kein vom Verkehr ablenkendes Hoch- und Runterregeln, keine Batterie-Kontrolle – und vor allem: keine Versuchung für den Wie-schnell-bin-ich-ich-jetzt-Blick auf einen digitalen Tacho, der ich wohl immer wieder erliegen würde. Den Akku-Ladestand kann ich mir bei kritischen Distanzen an der Ampel anzeigen lassen, ansonsten bleibt der Blick auf der Straße. Wenn das minimalistische Konzept für ein Plus an Sicherheit gedacht war – Respekt. Der Gedanke kam mir heute auf dem flotten weil abschüssigen rechts-vor-links-Abschnitt mit nicht einsehbaren Einmündungen.

Der Sensor muß übrigens möglichst nah am Zahn des Ritzels für das Ein- und Ausschalten per Rückdrehung des Pedal sein. Die beschriebenen zwei Millimeter max. sind für eine zuverlässige Bedienung zuviel. Etwas tricky das, alles andere ok.

Unverhofft…

…war das Treffen in Berlin. Eigentlich wollte ich nach der Pressekonferenz an der FU Berlin, bei der mein Schulungs-Film „media running amok ?“ vorgestellt wurde, gleich wieder zurück. Entstanden ist er über einen Zeitraum von zwölf Monaten im Rahmen des Forschungsprojekts Target. Dann aber war da zwischenzeitlich ein Anruf und die Gelegenheit, die Künstlerin Luisa Pohlmann kennenzulernen. So entstand vor ihrer Ausstellung – Für Abkürzungen haben wir keine Zeit (KuKuK, Aachen, 21. Juni bis 9. August) – das Video-Porträt Ost nach West. Ein schöner Shift und der vierte Film der Reihe 25pArt, in der ich Künstler mit der Kamera besuche.

Luisa Pohlmann – Für Abkürzungen haben wir keine Zeit from ThoGon Vimeo.

Der Film “ media running amok ? “ ist bei der FU Berlin für Fortbildungseinrichtungen und Schulungszwecke auf DVD erhältlich (einen Trailer gibt es hier). Ich verwende ihn zudem bei den „Nicht Schaden“-Seminaren, in denen drei weitere Trainerinnen und ich etwa Interview-Techniken aber auch Kriterien und Richtlinien für einen achtsamen, trauma-sensiblen Journalismus vermitteln. Dieses Konzept ging nach der Diskussion um die Germanwings-Berichterstattung aus der jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Dart Centre Europe hervor.

Wie eine solche Vorbereitung wirkt, zeigte sich in der Redaktion der Aktuellen Stunde und von WDR aktuell während der Tage nach dem Absturz der Germanwings-Maschine. Buchstäblich in jeder Konferenz wurde das Thema: Was zeigen wir, was nicht, wohin gehen die Reporter, wen interviewen sie und wen nicht, wo halten wir Abstand oder schalten Kamera und Mikrofon ganz ab? diskutiert. Als die Bergung der Verstorbenen begann wurde nicht nur entschieden, viele Bilder nicht zu senden, es ging bis hin zu einer Sprachregelung, die sich am Respekt vor den Getöteten und ihren Angehörigen orientierte. Als die ersten Fotos des Co-Piloten auftauchten war das Feld bereitet für die Entscheidung: Kein Name, kein Bild.

Prof. Frank Urbaniok, Chefarzt des psychologisch-psychiatrischen Dienstes des Kantons Zürich sagt sinngemäß in dem Film „media running amok ?“: Wir dürfen kein Interesse daran haben, die Massenmörder in einem intakten Umfeld zu zeigen. Bilder, die auch für einen Propaganda-Film der Täter taugen sind kritisch.

Hintergrund ist die Attraktion, die der mediale Tsunami mit Täterinfos auf jenen Bruchteil des Publikums ausübt, der möglicherweise – als Amoktäter oder auch politisch-religiös-verbrämter Terrorist – dadurch erst zu Nachahmern wird. Eine zurückhaltende Berichterstattung über die Mörder, sagt auch Nils Böckler, vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld, liefert nicht jene Bilder, Posen, Rechtfertigung und Faszination, die bei manchem eine schreckliche Entwicklung begünstigen.

Tatsächlich müssen wir uns fragen: Welche Information gibt mir der Name, was die Nachbarn („Das hätte ich nie gedacht, er war immer so freundlich…“), was ein Foto vom Halbmarathon oder einem USA-Aufenthalt? Benötige ich das, um den Ablauf der Tat zu rekonstruieren? Was ist wann wirklich wichtig, um das Motiv zu erläutern?

Vor allem aber: bedienen wir tatsächlich die Nachfrage unseres Publikums?

Dem Täter wird eine Bühne gegeben, sagen zwei junge Frauen, die die Morde in der Albertville-Realschule in Winnenden 2009 überlebten, er bekommt, was er will. Und andere, sagt Prof. Herbert Scheithauer von der FU Berlin, Verbundkoordinator des Target-Projekts, jene Bilder, die sie zwanghaft konsumieren, bis sie selbst einen ähnlichen Weg gehen.

Kein Name, kein Bild also – es waren die jahrelangen Schulungen, die der WDR in diesem Bereich veranstaltet, die dann, als es soweit war, diese Entscheidung erst ermöglichten. Die dafür nötige redaktionelle Grundhaltung war vorhanden, sie kann auch nicht erst in der Situation entstehen. Die positiven Reaktionen der Zuschauer belegen, dass die zurückhaltende Berichterstattung in den regionalen Sendungen nicht nur bemerkt sondern auch angenommen wurde.

Was das mit der Künstlerin Luisa Pohlmann zu tun hat? Zwei Tage war es im Umfeld der Film-Präsentation in vielen wichtigen und wertvollen Gesprächen um diese Themen gegangen, um die Frage, wie es gelingen kann, redaktionelle Reflexe und eingeübte Routinen aufzubrechen, wer solche Aus-und Fortbildungen noch bezahlen möchte und ob die öffentliche Mediendiskussion dieses Mal nachhaltiger wirkt. Das war auch der Sinn der Reise – doch eine Stunde später öffnet sich mir unerwartet die Tür zu der ganz anderen, farbenfrohen, anregenden Welt einer jungen Malerin – es ist ein großartiger Beruf.

Original veröffentlicht am 19. Juni 2015  auf thog-blog